Claudio Monteverdi: "Marienvesper" im Dom zu WormsSchwetzinger Festspiele 2024
95 Min.
Claudio Monteverdis Vespro della Beata Vergine, vor fünfzig Jahren nur einer Handvoll Spezialisten bekannt und heute fest im musikalischen Bildungskanon verankert, ist bei aller Popularität doch ein rätselhaftes Werk. Sie bürdet der Wissenschaft wie auch denen, die sie aufführen wollen, unlösbare Rätsel auf. Wer heute die Marienvesper aufführt, muss sich entscheiden, ob er sie als Konzertstück oder als liturgische Feier verstehen möchte.
Die Aufführung in einer Kirche spricht dafür, dieser Musik ihre liturgische Herkunft zurückzugeben. La fonte musica hat sich daher für eine liturgienahe Interpretation entschieden und die Antiphonen aus dem Bereich der Marienfeste ausgewählt – "Laeva eius" und "Quae est ista" etwa gehören zum Tag der Himmelfahrt Mariens am 15. August, andere eignen sich für alle Marienfeste. Natürlich bleiben die geringstimmigen Concerti im Programm, obwohl sie strenggenommen nicht zur Liturgie gehören. Monteverdi widmete seine Publikation Papst Paul V. und reiste eigens nach Rom, um sie ihm dort in einer Audienz überreichen zu dürfen.
In ihrer musikalischen Vielfalt, die einen Bogen von der traditionellen, satztechnisch komplexen polyphonen Messe über die unterschiedlichen alten und neuen Arten der Psalmvertonung wie Polyphonie, falsobordone Deklamation und virtuose Geringstimmigkeit bis hin zu den hochmodernen geringstimmigen Concerti und einem Magnificat voller neuer musikalischer Ideen schlägt, wirkt die Publikation, modern gesprochen, fast wie eine kompositorische Bewerbungsmappe, in der alle Fähigkeiten ihres Urhebers in voller Breite aufgelistet sind. Die Klammer um diesen bunten Strauß von Satztechniken und Besetzungen ist die Cantus-firmus-Technik, das heißt das Komponieren über einer vorgegebenen Choralmelodie, und Monteverdi ließ es sich angelegentlich sein, die ganze Bandbreite der Möglichkeiten dieser uralten Setzweise vorzuführen.
Mag die Marienvesper nun als ein zusammenhängendes liturgisches Werk konzipiert gewesen sein oder nicht – diese Frage ist in heutiger Zeit genauso irrelevant geworden wie im Falle von Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe, die ähnliche Fragen aufwirft. Was bleibt, ist eine Musik, die komplexer, durchdachter und prächtiger kaum sein könnte und den Zuhörer unmittelbar anspricht.
Aufzeichnung am 02. Mai 2024 im Dom zu Worms.
Mit
Alena Dantcheva, Cristina Fanelli, Sonia Tedla (Sopran I)
Marta Redaelli, Anna Piroli, Michaela Riener (Sopran II)
Leandro Marziotte, Elena Biscuola (Alt I)
Andrès Montilla, Maximiliano Baños (Alt II)
Benedict Hymas, Jacob Lawrence, Massimo Lombardi (Tenor I)
Gianluca Ferrarini, Riccardo Pisani, Roberto Rilievi (Tenor II)
Mauro Borgioni, Renato Cadel (Bass I)
Alessandro Ravasio, Gabriele Lombardi (Bass II)
Conor Hastings, Helen Roberts, Pietro Modesti (Zink)
Emily White, Ermes Giussani, Adam Crighton (Posaune)
Giulia Genini, Conor Hastings (Blockflöte)
Giulia Genini (Dulzian)
Stefano Barneschi, Lathika Vithanage (Violine)
Krishna Nagaraja (Viola)
Vanni Moretto (Bassi di Violino)
Riccardo Coelati Rama (Violone)
Margret Köll (Tripelharfe)
Federica Bianchi (Orgel & Cembalo)
Mit
Ensemble La Fonte Musica
Dirigent/-in
Michele Pasotti (Theorbe und musikalische Leitung)
Produktion
SWR
Land
Deutschland
Jahr
2024