Für die aktuelle Folge haben wir anhand von Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen zu einem in Saudi-Arabien sehr sensiblen Thema recherchiert: die Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit der Megastadt Neom, Prestigeprojekt des Kronprinzen Mohammed bin Salman. Bürger, die sich zum Thema Menschenrechte äußern, müssen in diesem Land mit Strafverfolgung rechnen: 2019 wurden mehrere Frauenrechtsaktivistinnen verurteilt, unter anderem, weil sie Kontakt zu internationalen Journalisten und NGOs aufgenommen hatten.
Mithilfe von Satellitenbildern, Amateurvideos und Beiträgen aus sozialen Netzwerken konnten wir die Zensur umgehen. So konnten wir die Zerstörung von Dörfern zugunsten des Projekts Neom dokumentieren, genauso wie die Verhaftung von Einwohnern, die sich gegen die Enteignung ihres Grundbesitzes gewehrt hatten.
Die Fundamente des Vorzeigeprojekts Neom, eine 170 km lange Stadt namens „The Line“, sind bereits auf Satellitenbildern zu sehen. Man findet sie auf öffentlich zugänglichen Seiten wie Google Earth oder Sentinel Hub. Mithilfe einer Funktion, die Satellitenbilder aus vergangenen Jahren anzeigt, lässt sich feststellen, dass sich in diesem Gebiet im Jahr 2020 drei Dörfer befanden: Gayal, Sharma und Al-Khuraybah. Alle drei wurden zerstört, um Neom Platz zu machen. Um das Ausmaß der Zerstörung zu verdeutlichen, haben wir die von Esri veröffentlichten Daten zur Bodenbedeckung herangezogen, in denen die Entwicklung der bebauten Gebiete (auf der Karte rot markiert) zu sehen ist.
2020 begannen die Bewohner des Dorfes Al-Khuraybah, sich in den sozialen Netzwerken zu Wort zu melden, um vor der bevorstehenden Zerstörung ihres Dorfes für das Neom-Projekt zu warnen. Die Videos, die sie auf Youtube und Twitter veröffentlichten, ermöglichten es uns, die Ereignisse zu rekonstruieren. Wir haben die Videos von Abdul Rahim Al-Howeiti überprüft und dank Geodaten verortet. Sie zeigen saudische Polizisten vor seinem Haus. ortet. Al-Howeiti sagt, sie hätten ihn zwingen wollen, die Enteignung seines Hauses zu unterschreiben. Vor demselben Haus führten saudische Sicherheitskräfte eine Razzia durch, bei der Abdul Rahim am 13. April 2020 getötet wurde, wie die von den Behörden auf Twitter veröffentlichten und von uns authentifizierten Bilder zeigen.
Die Verhaftungen von Einwohnern, die sich gegen die Beschlagnahmung ihrer Häuser gewehrt hatten, sind in ueinem im Februar 2023 von der NGO ALGST for Human Rights veröffentlichten Bericht mit dem Titel "The Dark Side of Neom" dokumentiert. Darin sind 47 festgenommene Mitglieder des Howeitat-Stammes aufgelistet sowie die gegen sie verhängten Strafen. Es gelang uns, mehrere von ihnen in sozialen Netzwerken aufzuspüren. Sie posteten und teilten Beiträge über Neom, die Enteignungen, die Razzia gegen Abdul Rahim al-Howeiti und die Verhaftungen anderer Stammesmitglieder. Seit Herbst 2020 erschienen keine neuen Posts mehr.
Außerdem erhielten wir Einsicht in mehrere Gerichtsurteile zu diesen Fällen. Anhand von Recherchen in sozialen Netzwerken und in der Lokalpresse konnten wir einige Elemente überprüfen. Schließlich lbestätigte Saudi-Arabien selbst sechs der Verurteilungen in einem Antwortschreiben vom 10. Juli 2023 an eine UN-Expertengruppe geschickt wurde.
Um die am Neom-Projekt beteiligten europäischen Unternehmen zu identifizieren, glichen wir mehrere Quellen miteinander ab. Eine UN-Expertengruppe stellte 18 ausländische Unternehmen wegen „bevorstehender Hinrichtungen im Zusammenhang mit dem Neom-Projekt“ zur Rede. Darunter auch sieben europäische Unternehmen. Um diese Liste zu ergänzen, analysierten wir hunderte von Pressemitteilungen und Zeitungsartikeln. Außerdem sammelten wir mehrere Dutzend Amateurvideos von den Arbeiten in Neom, die häufig von auf der Baustelle angestellten Arbeitern veröffentlicht wurden. So konnten weitere Unternehmen identifiziert werden.
Um die am Neom-Projekt beteiligten europäischen Unternehmen zu identifizieren, glichen wir mehrere Quellen miteinander ab. Eine UN-Expertengruppe stelle 18 ausländische Unternehmen wegen „bevorstehender Hinrichtungen im Zusammenhang mit dem Neom-Projekt“ zur Rede. Darunter auch sieben europäische Unternehmen. Um diese Liste zu ergänzen, analysierten wir hunderte von Pressemitteilungen und Zeitungsartikeln. Außerdem sammelten wir mehrere Dutzend Amateurvideos von den Arbeiten in Neom, die häufig von auf der Baustelle angestellten Arbeitern veröffentlicht wurden. So konnten weitere Unternehmen identifiziert werden.
Es entstand eine Liste von zehn europäischen Unternehmen, die am Neom-Projekt arbeiten oder gearbeitet haben:
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Bauer: Das deutsche Bauunternehmen erhielt im Dezember 2022 den Auftrag zur Errichtung der Fundamente für die Stadt „The Line“.
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DSV: Das dänische Logistikunternehmen gründete im Oktober 2023 ein Joint Venture mit Neom.
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FCC: Im Juni 2022 erhielt das spanische Bauunternehmen den Auftrag für den Bau von Tunneln zur Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur von Neom.
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Keller: Das Bauunternehmen gibt auf seiner Webseite an, die Fundamente für das Luxusresort auf der Insel Sindalah in Neom gebaut zu haben. Es arbeitete auch an den Fundamenten für „The Line“.
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Navya: Das französische Start-up unterzeichnete im März 2022 mit dem saudi-arabischen Verkehrsministerium eine Absichtserklärung für den Einsatz autonomer Fahrzeuge. Laut Pressemitteilung sollen sie „eine wesentliche Rolle beim Aufbau der Städte der Zukunft spielen“. In sozialen Netzwerken veröffentlichte Bilder zeigen, wie Navya-Shuttles mit dem Neom-Logo durch die Standorte der futuristischen saudischen Stadt fahren.
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Soletanche Bachy: Das französische Unternehmen erhielt den Auftrag zum Bau des Fundaments von „The Line“.
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Thyssenkrupp: Das deutsche Ingenieurunternehmen ist am Bau einer Anlage für grünen Wasserstoff in Neom beteiligt.
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Trevi: Der italienische Konzern erhielt den Auftrag zum Bau des Fundaments für „The Line“.
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Veolia: Das französische Unternehmen hatte im Juni 2022 mit der Neom-Tochter Enowa eine Absichtserklärung für den Bau einer Entsalzungsanlage unterzeichnet. Seit dieser Recherche wurde das Projekt laut Middle East Business Intelligence (MEED) aufgegeben, nachdem Neom seinen Wasserbedarf neu bewertet hatte.
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Volocopter: Das deutsche Start-up arbeitete 18 Monate lang mit Neom zusammen, um seine fliegenden Taxis auf dem Gelände der futuristischen Stadt zu testen.
Wir haben die Unternehmen gefragt: Ist Ihnen bewusst, was dort geschieht? Wurden Sie von den saudischen Behörden auf das Schicksal der verurteilten Neom-Gegner aufmerksam gemacht?
Bei unseren Recherchen stießen wir auf Informationen über zwei von Business France und der AFEX (Exportbüro für französische Architekten) organisierte Reisen nach Saudi-Arabien im Oktober 2022 und 2023. Der Verband hatte das Programm der beiden Veranstaltungen, die jeweils eine dem Neom-Projekt gewidmete Sitzung enthielten, auf seiner Website veröffentlicht. Dort fand sich auch eine Liste der Teilnehmer mit ihren beruflichen Kontaktdaten. Wir kontaktierten die Architekten, um zu erfahren, ob das Thema Menschenrechte und Todesurteile auf der Reise angesprochen wurde.
Quellen und nützliche Links: